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  • AutorenbildAachen Unverpackt

Ein Plädoyer an die Plastikblase

Worin liegt die Faszination für das Thema Plastik? Kunststoffe werden seit 1950er Jahren stetig zunehmend und mittlerweile in Massen produziert. Dass die meisten Kunststoffe nicht verrotten, sondern in der Umwelt verweilen, wissen wir mindestens genauso lange. Dennoch erfährt das Thema erst in den letzten Jahren – 70 Jahre später – mehr Aufmerksamkeit.

Die Menschen wollen Müll reduzieren. Auf Plastik verzichten. Sie demonstrieren für saubere Ozeane, unterstützen Projekte wie TheOceanCleanup, unterschreiben Petitionen an das Europäische Parlament und treffen sich zu gemeinsamen Müllsammelaktionen. Verzicht auf Plastik findet in weiten Teilen der Bevölkerung Anklang und stößt auf Verständnis. Große Supermarktketten ersetzen Einwegtüten durch wiederverwendbare Stoffbeutel. Discounter kommen in Erklärungsnot, entwickeln Strategien, wie sie ihren Müll reduzieren können, und bieten eine immer verpackungsreduziertere Obst- und Gemüseabteilung an. Von der EU werden Verbote spezieller Kunststoffsorten verordnet. Die Menschen handeln und bewegen zum Handeln.

Aber warum genau Plastik? Gerade jetzt in Zeiten von Klimawandel, Artensterben, Massentierhaltung und der Verletzung von Menschenrechten gibt es viele relevante Baustellen. Warum hat sich die Menschheit entschieden, dem Plastikmüll den Kampf anzusagen?


Auf Plastik zu verzichten ist oftmals einfach. Mit dem Jutebeutel, anstatt der Plastiktüte vom Einkaufen nach Hause zu gehen, kann mittlerweile jede*r. Zu sehen, dass der gelbe Sack/die gelbe Tonne nicht jede Woche komplett gefüllt an die Straße gestellt wird, zeigt direkt, was schon geschafft wurde. Unsere Wälder, Flüsse und Seen sind verschmutzt. Jeder Fisch aus Nord- und Ostsee ist voll mit Mikroplastik. Es ist nah, es ist sichtbar, alle kommen damit in Berührung.


Der Klimawandel aber ist abstrakt. Spürbare Folgen sind den einfachen Bürger*innen noch vorenthalten. Verzicht auf Fliegen, Autofahren und Fleisch essen für ein Problem, das kaum greifbar erscheint und keine direkte Bestätigung liefert: Ein Einschnitt in das alltägliche Leben.


Wenn der CDU-Europaabgeordnete Markus Pieper bei einer Podiumsdiskussion auf die Frage zum Klimaschutz antwortet, dass seine Partei sich gegen Mikroplastik in Kosmetikprodukten ausspreche, lässt das mein Herz zuerst etwas höherschlagen. Aber schon kurz darauf werde ich stutzig: Mikroplastik rettet unser Klima!? Damit dann die Reduzierung von CO2-Emissionen vergessen werden kann? Wir weiter Diesel und Benziner in der Innenstadt fahren und von München nach Berlin fliegen können?

Die Einfachheit von Müllreduzierung darf nicht ausgenutzt werden. Politiker*innen und Parteien dürfen nicht die Beliebtheit unserer Bewegung ausnutzen, um andere Dinge ins Nirvana zu schieben. Dass die CDU das Thema Plastik angeht, erfreut mich. Aber sich darauf auszuruhen, ein Problem erkannt zu haben und deswegen dem Rest keine Beachtung mehr schenken, ist in höchstem Maße falsch. Es sollten kontroverse Themen – wie unser Klima – im Wahlkampf angesprochen werden. Politiker*innen und Parteien müssen Stellung beziehen und über den Tellerrand hinausschauen. Und so müssen wir es auch.


In der Welt von Unverpackt-Läden, Müllsammeln und Cocktails mit Metallstrohhalmen scheint alles zu einfach. Auch ich stehe an vorderster Front im Kampf gegen den Plastikmüll. Aber es gibt Tage, an denen müssen wir alle einmal aus unserer Blase hervorschauen: Pfandgläser, Baumwollbeutel und selbst mitgebrachte Coffee-to-go-Becher sind gute Maßnahmen, aber nicht die Lösung für alles, denn es gibt eben mehr als unsere Plastikblase. Dieses „mehr“, das „große Ganze“ darf nicht aus den Augen verloren werden.


Müll und der Konsum von Plastik stellen eines der großen Probleme unserer Zeit dar und der Kampf hat gerade erst begonnen. Aber es ist auch ein Problem, das sich verhältnismäßig bequem lösen lässt. Die Menschen müssen ihren Lebensstil kaum merklich verändern, um auf Plastik zu verzichten, die Politik kann Gesetze ohne großen Widerstand erlassen. Es ist einfach – und es ist gut, dass es einfach ist. Dennoch dürfen wir bei all dem Enthusiasmus über die übersichtlichen Ziele der Zero-Waste-Bewegung nicht die Komplexität der anderen großen Probleme unserer Zeit vergessen: Klimawandel, Rechtspopulismus, bewaffnete Konflikte und die Diskriminierung von Frauen verschwinden nicht über Nacht durch die Bestellung eines „Sex On The Beach, aber ohne Strohhalm, bitte“.


- Malina


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